Sonntag Jubilate

Liebe Gemeinde,

am kommenden Sonntag feiern wir den Sonntag Jubilate. Und es sollte eigentlich ein Sonntag sein, an dem wir der Grundstimmung dieses Tages gebührend Ausdruck verleihen.
Das wird in diesem Jahr nicht so ausfallen, wie wir uns das vorgestellt haben, und so mögen diese Zeilen Sie vielleicht wieder dazu ermuntern, wenigstens den persönlichen Jubel neu zu entdecken und zu entfalten.
Mit der gebotenen Zurückhaltung kann das auch wieder in der Kirche in der Zeit von 10-12 Uhr stattfinden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch an das Gebot des Mundschutzes erinnern.
Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand. (EG+37)

Liebe Grüße
Birgit Reyher

 

 

Der Psalm 66, der dem Sonntag seinen Namen gibt, formuliert:

„Jubilate! Jauchzet Gott, alle Lande!… Sprecht zu Gott: wie wunderbar sind deine Werke!“. Dieses Lob gilt Gott in seinem schöpferischen Handeln, „der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern!“.

Die alttestamentliche Lesung (1. Mose 1,1-4a(4b-25)26-28(29-30)31a;2,1-4a) schlägt eine Brücke zum Schöpfungsgeschehen, und auch die Epistel (Apg 17,22-34) nimmt diesen Gedanken wieder auf.
Das Evangelium (Joh 15, 1-8) versieht ihn noch mit einem christologischen Akzent.
Und auch der Wochenspruch nimmt Bezug auf das Schöpfungsgeschehen. In 2. Kor 5,17 heißt es:

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“.
Die Lieder EG 110 und 432 bieten dazu den musikalischen Rahmen.

Für den kommenden Sonntag ist uns der Text aus dem Johannesevangelium aufgegeben, der vom Weinstock und seinen Reben spricht.
Auch wenn wir hier nicht in einer Weinbaugegend leben, ist uns das Bild doch vertraut.
Für die Menschen zur Zeit Jesu und in seinem Umfeld war es eine ganz normale Lebensrealität, der Umgang mit den Trauben war tägliches Geschäft, und es legte sich nahe, dieses Bild zu verwenden, wenn man von einer Verbindung zwischen vielen Einzelnen und dem Einen sprechen wollte. Mit den Worten aus Vers 15 fügt Jesus dem Bild noch eine weitere Aussage hinzu: der Vater als Weingärtner. Was zunächst einmal die enge Beziehung zwischen ihm, dem Vater und den Jüngern beschreibt, klingt plötzlich aber ganz anders, wenn es dann heißt: „Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe.“
Was unter gärtnerischen Gesichtspunkten zu verstehen ist, befremdet mich, wenn ich es auf Menschen beziehen soll. Es klingt wie eine Drohung, nach dem Motto: „Wehe ihr setzt euch ab von mir! Dann wird es euch schlecht gehen!“
Zum einen glaube ich nicht, dass man eine Gemeinschaft durch Druck zusammenhalten kann. Solche Dynamiken kennen ich nur aus Erfahrungen, die ehemalige Mitglieder von Sekten berichten, wenn sie es nach manchmal abenteuerlichen Erlebnissen geschafft haben, sich aus der Klammer der Gemeinschaft zu lösen. Und in diese Nähe möchte ich eine christliche Gemeinschaft und auch unsere Gemeinde nicht stellen.
Zum anderen stellt sich mir dann die Frage: „Woher weiß ich denn, dass ich alles dafür getan habe, dass ich als gute Rebe am Weinstock Jesus bleiben Kann? Wer befindet denn über meine Anstrengung und meine Leistung?
Da richtet einer über mich – und ich frage mich, ob die Augen des prüfenden Weingärtners, Gottes, mir da wohlgesonnen oder eher kritisch prüfend zugewandt sind. Eine Vorstellung, die mich irritiert.
Aber – und das ist die Kehrseite der Medaille: ich höre daraus auch die Zusage, dass mein Leben gelingen wird, wenn ich mit dem Weinstock – und auch mit dem Weingärtner – in einer positiven Verbindung bleibe.
Die Botschaft der Bibel ist voll von Beispielen, in denen sich Jesus gerade denen zugewendet hat, die aus der Gesellschaft herausgefallen waren und die ihr Leben in Vereinzelung und Abgeschiedenheit führen mussten. Jesus hat sich den Sündern und den „Aussätzigen“ zugewendet, er hat die Lahmen und Blinden, die Zöllner und Gauner ganz bewusst angesprochen und sie hineingeholt in die lebensstiftende Gemeinschaft mit ihm. Und er hat damit angestoßen, der Gesellschaft ein neues, ein positives und menschenfreundliches Gesicht zu geben.
Deshalb liegt für mich der Focus unseres Textes auf dem positiven, dem stärkenden Aspekt. Und ich möchte damit die Frage verbinden: Wo möchte ich hingehören? Ist dieser Weinstock auch für mich eine Quelle, aus der ich Kraft und Mut schöpfen kann, mein Leben in dieser Welt zu gestalten?
So ist mir der Vers 15 wichtig geworden: Uns als Reben, mir als einem einzelnen kleinen Austrieb, fließt die Kraft eines ganzen Weinstocks zu. Und dieser Weinstock ist unvorstellbar tief verwurzelt und hat schier unergründliche Ressourcen zur Verfügung, die er mir geben, schenken, anvertrauen kann und will. Da darf ich andocken, daran darf ich teilhaben, daraus darf ich leben.
Für mich bedeutet das, dass ich auch in schwierigen Zeiten und auf den dunklen Strecken meines Lebens jemanden hinter mir habe, an der Seite habe, auf den ich mich verlassen kann und der zu mir steht.

Am kommenden Sonntag hätten wir in der Friedenskirche eigentlich Konfirmation gefeiert. 15 junge Menschen haben sich darauf vorbereitet und darauf gefreut, ihre Entscheidung kundzutun und ihren Lebensweg neu auszurichten. Sie wollten (und wollen es immer noch) sich als Rebe an den Weinstock Jesus binden, weil sie erfahren haben, dass hier eine Kraftquelle liegt, die durch nichts zu ersetzen ist. Ich wünsche mir, dass die Konfirmanden und Konfirmandinnen, dass Sie als Gemeinde auch immer wieder spüren und erleben können, wie diese Verbindung über Durststrecken, Trockenperioden, Dürrekatastrophen und Shutdowns aller Arten hinweg das Leben lebenswert macht und erhält.

Dazu gehört ganz bestimmt auch der Aspekt der Gemeinschaft. „Gemeinsam sind wir stark“ sagen wir mitunter, wenn wir uns darüber vergewissern wollen und müssen, dass gemeinsames Handeln den Effekt erhöht.
„Gemeinsam werden wir stark“ möchte ich sagen im Blick auf das Bibelwort des nächsten Sonntags. Die christliche Gemeinschaft, das Miteinander und Füreinander von Menschen, die sich der gleichen Basis gewiss sind, ist das, was mich stärkt und aufbaut. Gemeinschaft ist Lebenselixier. Das erfahren wir gerade in diesem Zeiten besonders, wo wir in bisher ungeahntem Maße darauf verzichten müssen, uns zu versammeln und gemeinsam stärken zu lassen.
Auch diejenigen, die es gelernt haben und die gut allein sein können, spüren je länger je mehr, wie wichtig und für das Seelenheil notwendig die persönliche Begegnung und die gemeinschaftlich erlebte Zeit ist. Das wird mir in den vielen Telefonaten und Gesprächen, die ich zur Zeit führe, immer wieder gesagt.
Und gemeinsam Gottesdienst zu feiern bedeutet auch, gemeinsam beten zu können, sich der Hilfe und der Zuwendung Gottes, des Weingärtners, zu seinen Reben zu vergewissern und darum zu ringen. Deshalb ist es gut, wenn wir nun in langsamen Schritten uns wieder einer verantwortbaren Form des Miteinanders nähern können – auch wenn es sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird bis wir wieder auf vertrauten Wegen miteinander gehen können. Jesus Christus aber, sein Geist, der Heilige Geist, ist es, der die noch notwendige Distanzierung innerlich überwinden kann, der uns miteinander verbindet und den Blick füreinander schärft.
Von seiner Sicht auf die Dinge, auf die göttliche Schöpfungsordnung und die darin aufgehobenen Menschen, möchte ich mich anregen lassen, das Leben, mein Leben anzunehmen und zu gestalten.
In Corona-Zeiten und darüber hinaus.

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